"Eine spannende Möglichkeit, Wissenschaft für und mit lokalen Akteuren zu betreiben" – Dr. Jan Beermann im Gespräch über seine Erfahrungen im EnAHRgie-Projekt
In einer neuen Interviewreihe blicken ehemalige Mitarbeitende auf gewonnene Erfahrungen und Eindrücke im EnAHRgie-Forschungsprojekt zurück. Den Anfang dieser Reihe macht Dr. Jan Beermann von der FU Berlin, der das Projekt April 2018 verlassen hat.
Im Gespräch berichtet Herr Beermann über den Einfluss politischer Entscheidungsträger auf günstige Rahmenbedingungen für eine Energiewende, Herausforderungen im Austausch zwischen Wissenschafts- und Praxispartnern und den von ihm maßgeblich betreuten Projektleitfaden Kooperation und Verstetigung.
Herr Beermann, was war Ihnen im Rahmen Ihrer Tätigkeit im EnAHRgie-Projekt besonders wichtig?
Das Bundesforschungsprojekt EnAHRgie bot die spannende Möglichkeit, Wissenschaft für und mit den lokalen Akteuren im Landkreis Ahrweiler zu betreiben. Auf den regelmäßigen Treffen der Innovationsgruppe gab es einen intensiven Austausch zwischen den Wissenschafts- und Praxispartnern und wir haben gemeinsam entschieden, welche Schwerpunkte das Energiekonzept bekommt. Das Ziel war, kein Konzept für die Schublade zu schreiben, sondern Forschungsergebnisse möglichst schnell umzusetzen und dabei an bestehende Aktivitäten im Kreis Ahrweiler anzuknüpfen. Ohne die Expertise und die Erfahrungen der Praxispartner vor Ort wäre das nicht möglich gewesen.
Sie waren hauptverantwortlich für den EnAHRgie-Leitfaden Kooperation. Was sind Ihrer Ansicht nach zentrale Punkte dieses Leitfadens?
Wir haben den Leitfaden Kooperation entwickelt, da klar war, dass die Energiewende vor Ort nicht durch den Landkreis oder einzelne Gemeinden oder Städte im Alleingang realisiert werden kann. Um mittelfristig eine vollständige Versorgung mit erneuerbaren Energien zu erreichen, brauchen Kommunen die Unterstützung der lokalen Wirtschaft, Zivilgesellschaft und der Bürgerinnen und Bürger.
Das Bundesforschungsprojekt EnAHRgie hat daher bereits während der Projektlaufzeit begonnen, mit den Akteuren aus dem Landkreis Ahrweiler Optionen der Organisation und Finanzierung einer langfristigen regionalen Kooperationsstruktur zu diskutieren. Der EnAHRgie Leitfaden Kooperation und Verstetigung führt die Ergebnisse dieser Diskussionen zusammen.
Im Leitfaden werden unter anderem verschiedene Organisations- und Finanzierungsmöglichkeiten für eine regionale Zusammenarbeit vorgestellt. Zentral ist dabei die Einstellung eines oder mehrerer „Kümmerer“ (z.B. kommunale Klimaschutzmanager), die die Zusammenarbeit koordinieren und die Kommunen und privaten Akteure beraten und unterstützen. Es werden außerdem die Vor- und Nachteile möglicher Rechts- und Organisationsformen diskutiert, wobei sich für den Landkreis Ahrweiler zunächst eine „weichere“ Rechtsform, wie die Gründung einer kommunalen Arbeitsgemeinschaft oder eines Vereins anbieten könnte.
Im Leitfaden werden daran anknüpfend ausgewählte Praxisbeispiele bereits realisierter regionaler Kooperationen vorgestellt, von deren Erfahrungen Regionen profitieren können, die sich wie der Landkreis Ahrweiler noch am Beginn einer regionalen Zusammenarbeit zur Umsetzung der Energiewende befinden.
Der Leitfaden schließt mit einer Übersicht über die wichtigsten nächsten Schritte für die Umsetzung der regionalen Zusammenarbeit im Landkreis Ahrweiler.
Welche Faktoren sind für den Erfolg einer regionalen Zusammenarbeit für die Umsetzung einer Energiewende besonders wichtig?
Ganz wichtig ist, dass die politischen Entscheidungsträger hinter dem Aufbau einer regionalen Zusammenarbeit stehen, da die Initiative für eine regionale Zusammenarbeit oft von der Politik oder der Verwaltung ausgeht. Wenn der Landrat oder die BürgermeisterInnen vorangehen, schließen sich auch Unternehmen oft an.
In einem ersten Schritt geht es dann darum, Ziele und Visionen zu entwickeln, auf die die Kooperation gemeinsam hinarbeitet. Ebenso wichtig ist es, möglichst schnell konkrete gemeinsame Projekte anzuschieben, damit schnelle Erfolge der Zusammenarbeit sichtbar werden und die Kooperationspartner sehen, dass sich eine Beteiligung lohnt.
Im Leitfaden Kooperation finden sich dazu praktische Empfehlungen, wie eine regionale Zusammenarbeit effizient und passgenau aufgebaut und verstetigt werden kann.
Was nehmen Sie aus dem EnAHRgie-Projekt mit?
Im Projekt EnAHRgie habe ich gelernt, dass die Zusammenarbeit zwischen Praktikern und Wissenschaftlern aus unterschiedlichen Disziplinen gerade am Anfang herausfordernd und zeitintensiv ist. Man bewegt sich dabei in einem gewissen Spannungsfeld: die Praxispartner wollen schnell loslegen, während die Wissenschaftler erst einmal systematisch analysieren wollen. Wenn man diese unterschiedlichen Perspektiven erst mal verstanden hat, findet man aber auch Wege, damit umzugehen. Und wenn man durchhält, zahlt sich die Zusammenarbeit langfristig auch aus. Was ich aus dem Projekt EnAHRgie mitnehme ist die Erkenntnis, dass es nur so überhaupt möglich ist, zugleich wissenschaftlich robuste, aber auch direkt umsetzbare Ergebnisse für die Praxis zu generieren.
Herr Beermann, wir danken Ihnen für das Gespräch und Ihre Mitarbeit im EnAHRgie-Forschungsprojekt!